Einleitung

Die Scharia stellt nach allgemeiner muslimischer Auffassung die vollkommene Ordnung Gottes dar, die Gerechtigkeit, Wohlergehen und Frieden für alle Menschen schafft. Als holistisches Gebilde regelt sie alle Belange des Lebens, sprich die Glaubensfragen (ʿaqīda), die rituelle Praxis (ʿibādāt) sowie die zwischenmenschlichen Beziehungen (muʿāmalāt). Dennoch existiert die Scharia nicht in Form eines Gesetzbuches, das Muslimen genaue Anweisungen für alle Fragen des Lebens gäbe. Religiöse bzw. rechtliche Bestimmungen werden vielmehr grundsätzlich aus den islamischen Grundtexten, dem Koran und der Sunna (Sprüche und Handlungen) des Propheten Muhammad (gest. 632), deduziert. Da für die Normendeduktion weitere rechtstheoretische Methoden und Instrumente eingesetzt werden, die je nach Zeitgeist und Lebensumständen der Menschen variieren, fallen die Bewertungen ein und derselben Handlung nicht selten verschieden aus. Dies führte durch die gesamte islamische Rechtsgeschichte hindurch, insbesondere im Zeitraum zwischen dem 8. und dem 9. Jahrhundert n. Chr., zur Entwicklung einer Systematik der Scharia und zur Entstehung zahlreicher Rechtsschulen.[1]

Von der Überzeugung getragen, dass die Scharia alle Belange des Lebens abdecke, legen viele Muslime Wert darauf, ihr Leben nach den Vorschriften der Scharia auszurichten. Viele zeitgenössische Islamgelehrte, die sich mit der Frage der Ableitung von Scharianormen beschäftigen, setzen sich daher dafür ein, die islamischen Quellentexte zeitgemäß zu inter- bzw. zu reinterpretieren und sie den Herausforderungen der Moderne anzupassen, um den Muslimen ein schariakonformes Leben zu ermöglichen und den Islam mit modernen politischen Ideen wie Demokratie, Menschenrechten und Gleichberechtigung von Mann und Frau in Einklang zu bringen.[2] Andere Gelehrte salafistischer Prägung orientieren sich hingegen am Wortlaut der Islamquellen und wollen ihr Leben nach dem Lebensstandard der muslimischen Frühgemeinde der ersten drei Generationen ausrichten.[3]

Im Mittelpunkt des vorliegenden Beitrags steht die Frage, wie salafistisch orientierte Gelehrte und Prediger zur Demokratie und zur politischen Partizipation von Muslimen im Westen stehen und wie sie ihre Position zu rechtfertigen suchen. Hierfür werden vor allem die online kursierenden Ansichten namhafter zeitgenössischer Autoren aus Saudi-Arabien – dem Ursprungsland des Salafismus[4] – herangezogen. Auch einschlägige, deutschsprachige und via Internet verbreitete Propaganda-Videos werden Beachtung finden; ein Indiz für deren Relevanz kann die These deutscher Sicherheitsbehörden darstellen, denen zufolge digitale Medien eine »große Rolle« bei der Radikalisierung vor allem junger Menschen spielen.[5]

Salafisten – Begriffsbestimmung

Bevor wir uns nun der Frage nach Salafismus und Demokratie zuwenden, sei zunächst der hier verwendete Begriff der »Salafisten« näher bestimmt. Man unterscheidet im Großen und Ganzen zwischen drei Typen von Salafisten: Puristen bzw. Quietisten, politischen Salafisten und salafistischen Dschihadisten. Die Puristen lehnen politischen Aktivismus und die Anwendung von Gewalt strikt ab und plädieren für die geistige Beschäftigung mit religiösen Fragen. Die Gesellschaft wollen sie eher durch persönliche Frömmigkeit und individuelles frommes Handeln verändern, um ihr Ziel, ein islamisches Gemeinwesen zu begründen, peu à peu zu verwirklichen. Zu diesem Zweck setzen sie sich stark für Missionsarbeit (daʿwa) ein. Zwar verfolgen sie keine aktive politische Agenda gegen den demokratischen Rechtsstaat, aber sie stehen der parlamentarischen Demokratie zurückhaltend gegenüber. Auf diesem Wege wollen sie den Islam und dessen vermeintlich universale und ewig gültige Ordnung von kompromissbasierter Politik – aus ihrer Perspektive – rein halten.[6]

Die politischen Salafisten machen Politik. Sie streben ein gottgefälliges, schariakonformes Staatssystem an und lehnen alle Staatsformen ab, die ihrer Auffassung nach der Scharia widersprechen. Diese Gruppe, welche die Islamwissenschaftlerin Nina Wiedl im deutschen Kontext als »Mainstream-Salafismus« bezeichnet, ist der politischen Ideologie des Islamismus zuzuordnen. Die salafistischen Dschihadisten lehnen sowohl Missionsarbeit als auch politische Aktivitäten in bestehenden staatlichen Strukturen als Strategie für die Wiedererrichtung eines islamischen Gemeinwesens ab. Der Dreh‑ und Angelpunkt ihrer Ideologie ist die Anwendung von Gewalt. Darin sehen sie den einzigen Weg zu dem ihnen vorschwebenden Staatswesen.[7] Wenn im Folgenden die Rede von Salafisten ist, so werden darunter grundsätzlich Angehörige der ersten beiden Gruppen verstanden.

Wahlen und Demokratie aus salafistischer Sicht

Im Internet finden sich unzählige Beispiele salafistischer Propaganda, seien es Videos oder Schriften. Sie beschäftigen sich u.a. mit Wahlen als Mittel politischer Partizipation sowie der Idee der Demokratie und haben inhaltlich große Schnittmengen.[8] Die propagandistischen Abhandlungen werden meist in der Form einer »Fatwa« präsentiert. Eine Fatwa ist ein religiöses Rechtsgutachten und wird in der Regel von einer muslimischen Autorität auf Anfrage eines um Rat ersuchenden Mitgliedes der muslimischen Gemeinde erstellt. Fatwas sind nicht wie ein Gerichtsurteil rechtsverbindlich, genießen aber bei vielen Muslimen besondere Beachtung und werden als Wegweiser und Orientierung für ein schariagerechtes Leben angesehen. Nach dem Verständnis der Salafisten geben der Koran, die Sunna und die Lebensweise der ›frommen Altvorderen‹ (as-salaf aṣ-ṣāliḥ) ein Idealbild einer sozioökonomischen und politischen Ordnung vor – eine ganzheitliche Ordnung, die unabhängig von den zeitlichen und örtlichen Gegebenheiten durchgesetzt werden sollte. Demnach sehen die Salafisten in Gott die höchste universale Autorität in allen Angelegenheiten; ihm allein stehe das Recht zu, nicht nur über religiöse, sondern auch über politische Belange zu entscheiden. Stellte man dies infrage oder hielte man sich an die von Menschen gemachten Entscheidungen und Gesetze, so verstieße man gegen die Allmacht Gottes – ein von Salafisten wie auch von einigen anderen islamistischen Gruppen politisch verstandenes Konzept, die sogenannte Herrschaft Gottes (ḥākimīyat Allāh), das die Grundlage für die Ablehnung demokratischer Ordnungsvorstellungen bildet.[9]

Vor diesem Hintergrund bewerten salafistische Autoritäten wie etwa Ibn Bāz[10], von dem zahlreiche Fatwas in deutscher Sprache auf dem reichweitenstarken Internetportal islamfatwa.de übersetzt vorliegen,[11] die Beteiligung an einer Wahl oder am politischen Leben im Generellen, in dem nicht nach Vorschriften der Scharia geurteilt und gelebt wird, als Abfall vom Glauben. Denn auf diesem Wege werde Gott als souveräner Herrscher und oberste Autorität abgelöst und den Menschen die Herrschaft überlassen. Zur Rechtfertigung der Gottesherrschaft dienen Belege aus dem Koran und der Sunna, die jedoch aus ihrem Kontext herausgerissen werden, wie z.B. folgender Vers: »Diejenigen, die nicht nach dem entscheiden, was Gott (in der Schrift) herabgesandt hat, sind die wahren Ungläubigen.«[12]

Politische Systeme im Westen basieren nach dieser Auffassung auf Unglauben, da das Parlament anstelle Gottes die gesetzgebende Funktion einnehme. Würde man an Präsidentschafts- oder Parlamentswahlen teilnehmen oder eine Partei unterstützen, sei dies eine Art Bevollmächtigung zum Vollzug verbotener Handlungen; denn bei der Wahl eines Kandidaten handele es sich nicht bloß um eine Personenwahl, sondern um die Wahl eines politischen Programms, das schariawidrige Grundsätze beinhalte und somit der Salafisten vorschwebenden Staatsordnung widerspricht. Die Mehrheit der Salafisten erachtet es demnach als verboten, sich politisch zu engagieren oder an Wahlen teilzunehmen. Keinesfalls dürften politische Agenden unterstützt werden wie bspw. die gleichgeschlechtliche Ehe, denn dies sei mit den Werten des Islams nicht vereinbar.[13]

Die salafistische Ablehnung der Demokratie geht Hand in Hand mit dem »Glauben an Gott« (tauḥīd): Man unterscheidet im islamisch-theologischen Sinne zwischen tauḥīd al-rubūbiyya, d.h. dem Glauben an Gott als alleinigen Schöpfer, und tauḥīd al-ulūhiyya, d.h. die alleinige Anbetungswürdigkeit Gottes. Dieses theologische Grundprinzip wird von Salafisten politisch instrumentalisiert. Sie interpretieren tauḥīd al-rubūbiyya dahin gehend, dass Gott eine absolute, d.h. auch eine politische und gesetzgebende Gewalt zukomme. Der Mensch habe sich dem zu unterwerfen und dieses Verständnis des tauḥīd stets aufrechtzuerhalten. Der tauḥīd al‑ulūhiyya wiederum impliziert, dass allein Gottes Herrschaft und Gesetz gelten müssten, was die Ablehnung demokratischer Systeme mit sich bringt. Nach diesem Verständnis stellt es einen eindeutigen Verstoß gegen den tauḥīd dar, wenn man schariawidrige Verfassungsordnungen und Gesetze anwendet oder jedwede Form von Demokratie akzeptiert.[14] Diese Ideologie hat zur Folge, dass Muslime, welche die Demokratie befürworten oder an demokratischen Prozessen teilnehmen, für ungläubig (kāfir) erklärt werden.[15]

Der Begriff kāfir (»Ungläubige«) oder kufr (»Unglaube«) ist ebenfalls in erster Linie theologischer Natur, wird aber auch politisch instrumentalisiert: Ursprünglich bezeichnet er die Gegner des Propheten Muḥammad bzw. Menschen, welche die Einheit Gottes im theologischen Sinne oder grundlegende Prinzipien des Islam infrage stellen. Im Kontext der politischen Ideologie der Salafisten wird kufr auf alle Handlungen übertragen, die den Absolutheitsanspruch der Scharia konterkarieren oder die demokratisch verfassten Systeme unterstützen. Folgerichtig werden säkulare Verfassungen wie auch die »Allgemeine Erklärung der Menschenrechte« gleichermaßen als kufr gebrandmarkt.[16]

Eng verknüpft mit der Debatte über die aus salafistischer Sicht postulierte Unzulässigkeit einer politischen Partizipation der im Westen lebenden Muslime ist die Frage nach deren Haltung gegenüber dem Staat und dessen Gesetzen: Wie sollen sich diese Muslime stattdessen verhalten? Muslimen, die sich für ein dauerhaftes Leben außerhalb islamisch geprägter Gesellschaften entscheiden, wird auferlegt, sich von sämtlichen als unislamisch stigmatisierten politischen Systemen loszusagen. Gesetze seien nur im Notfall zu akzeptieren, d.h. nur dann, wenn man keine andere Alternative habe. In diesem Zusammenhang dient das Prinzip des sogenannten al-walāʾ wa-l-barāʾ (»Loyalität und Lossagung«) als zentrale argumentative Grundlage. Wenngleich diese Doktrin in erster Linie theologischer Natur ist und sich vor allem auf das Verhalten gegenüber Gott, seinem Propheten und anderen Mitmenschen bezieht, wird sie von Salafisten politisch ausgelegt und ihre Umsetzung den Gläubigen zur Pflicht gemacht. Sie erklären die Loyalität zu westlichen – aus ihrer Sicht schariawidrigen – Staatssystemen für verboten, da nur Gott allein das Recht auf Gesetzgebung zustehe. Jegliche Form von Demokratie oder Rechtsstaat wird, weil sie dieser Grundidee widerspricht, als unislamisch betrachtet, und die Lossagung von diesen politischen Systemen wird propagiert. Muslime, die ein Mehrparteiensystem befürworten oder sich in diesem engagieren, machen sich gemäß dieser Meinung unzulässiger Loyalität gegenüber politischen Führern schuldig und seien somit keine wahren Muslime. Was die Menschen verbinde, sei weder das Blut noch die Schwägerschaft noch das Land noch die Heimat noch die Sprache, sondern allein der Glaube. Gestützt darauf erachten Salafisten es als Pflicht eines jeden Muslims, einerseits gegenüber Gott, seinem Gesandten und den muslimischen Gläubigen bedingungslos loyal zu sein und sich andererseits von allen nicht durch die Scharia legitimierten Staatsformen sowie – auf sozialer Ebene – von privaten Kontakten mit Nicht-Muslimen loszusagen.[17]

Im Gegensatz zu den Salafisten propagieren viele andere zeitgenössische Autoren und Rechtsgelehrte, die oft dem islamistischen Spektrum zugeordnet werden,[18] die Teilnahme von Muslimen am politischen Leben im Westen. Eine solche Partizipation wird von ihnen nicht nur als erwünscht, sondern sogar als geboten verstanden. Dabei geht es allerdings weder darum, sich zu den demokratischen Prozessen in der Gesellschaft in Gänze zu bekennen, noch darum, aktiv im Dienste der gesamten Gesellschaft zu wirken. Vielmehr wird das Hauptaugenmerk auf die Muslime im Westen gerichtet und auf die Frage, wie man durch den Gebrauch des Wahlrechts und andere Aktivitäten den Nutzen für die muslimische Bevölkerung mehren kann. Nach dieser Auffassung sollen Muslime ihre Stimmen nutzen, um gesellschaftliche und politische Entscheidungen im Dienste der muslimischen Minderheiten herbeizuführen. Mit politischem Aktivismus ist nicht nur die Stimmabgabe gemeint, sondern auch die Bildung politischer Parteien, die Mitgliedschaft in diesen sowie die Kandidatur für politische Ämter. Muslime dürften zudem, wenn dies im Nutzen der Muslime liege, Wahlen und Kampagnen finanzieren, auch wenn der Kandidat nicht muslimischen Glaubens sei. Von diesem Wege erhofft man sich, ein positives Bild des Islams zu vermitteln und dessen Kompatibilität mit den Werten und Gesetzen der Mehrheitsgesellschaft zu verdeutlichen.[19] Anderen Intellektuellen wie etwa dem Schweizer Islamwissenschaftler Tariq Ramadan geht es nicht allein um den Nutzen der Muslime. Nach seinem Verständnis sollten sich Muslime am politischen Leben und Debatten konstruktiv beteiligen, und zwar aus einem Gefühl der Verantwortung gegenüber der Gesellschaft heraus. Dazu schreibt er:

»Europäer muslimischen Glaubens haben entsprechend jener Prinzipien zu wählen, denen sie nach Gewissen und Verstand verpflichtet sind, und nicht nach Kriterien ethnischer oder religiöser Identität […]. Der muslimische Glaube verpflichtet unser Gewissen und die demokratische Vernunft gebietet unserem Verstand, dass die Entscheidung bei Wahlen nach der Aufrichtigkeit und Kompetenz des Kandidaten getroffen werden, ob er nun Muslim ist oder nicht.«[20]

Fazit 

Dreh- und Angelpunkt der politischen Ideologie der Salafisten ist die ḥākimīyat Allāh, die absolute Herrschaft Gottes. Dabei gelten der Koran und die Sunna als allumfassende Gesellschaftsordnung, ungeachtet des zeitlichen oder örtlichen Kontextes. Jedwede Ordnung und jedwedes Recht, die durch Menschen in politischen Prozessen herbeigeführt wurden, sind für Salafisten null und nichtig, Demokratie und Wahlen werden abgelehnt. Zuwiderhandlungen gelten als Verstoß gegen die Allmacht und die Autorität Gottes. Allein die Teilnahme an einer freien Wahl wird als Abfall vom Glauben (kufr) verstanden und mit Polytheismus (širk) gleichgesetzt. Die salafistische Ideologie basiert auf einer rigiden, buchstabengetreuen Interpretation der Quellentexte ohne Rücksicht auf die Lebensumstände oder historische Entwicklungen. Während ein Großteil der Salafisten der Beteiligung an Wahlen oder an demokratischen Systemen ablehnend gegenüber steht, urteilen viele andere Autoren, die dem islamistischen Spektrum zuzuordnen sind, dass man wählen gehen solle, um das kleinste Übel zu wählen und den Muslimen im Westen einen Vorteil zu verschaffen. Wiederum andere muslimische zeitgenössische Theologen und Intellektuelle vertreten die Auffassung, dass sich Muslime des Westens in die Aufnahmegesellschaft integrieren und an den politischen Debatten des Landes beteiligen sollten. Sie sind der Ansicht, dass Gott keine holistische, absolute Gesellschaftsordnung vorherbestimmt habe. Vielmehr sei es die Aufgabe der Menschen, sich selbst je nach zeitlichen und örtlichen Umständen eine Verfassung und Gesetze zu geben.

Um die von Sicherheitsbehörden aufgestellte These, salafistische Internetangebote stellten einen Weg zur islamistischen Radikalisierung junger Menschen dar, zu verifizieren oder zu falsifizieren, braucht es einerseits empirische Forschung, die der Frage nachgeht, ob und inwieweit im Internet verbreitete salafistische Propaganda von Muslimen in Deutschland rezipiert wird. Dabei wäre es geboten, die der Radikalisierung zugrunde liegenden Inhalte, die Prädispositionen der jungen Menschen und deren gesellschaftlich-objektive Bedingungen zu hinterfragen. Andererseits bedarf es auch der Debatte über den Begriff der »Radikalisierung«. Versteht man unter Radikalisierung die Beeinflussung mittels demokratiefeindlicher Darstellungen und Meinungen, können salafistische Internetangebote, wie oben gezeigt, durchaus als Quelle islamistischer Radikalisierung bewertet werden. Versteht man unter Radikalisierung die Förderung gewaltbefürwortender Auffassungen sowie den Aufruf zur Verübung terroristischer Anschläge zur Durchsetzung der göttlichen Ordnung, kann dies nicht pauschal bestätigt werden. Als gewaltbereit sind ohne weitere Überprüfung lediglich die salafistischen Dschihadisten einzustufen. Um dies in Bezug auf andere salafistische Gruppen zu prüfen, wird eine ausführliche Auseinandersetzung mit ihren Ansichten zur Gewaltanwendung vonnöten sein.

[1] Vgl. weiterführend dazu z. B. Rohe, Mathias: Das islamische Recht. Geschichte und Gegenwart, München 2011, S. 9 ff. und El-Wereny, Mahmud: Normenlehre des Zusammenlebens: Religiöse Normenfindung für Muslime im Westen. Theoretische Grundlagen und praktische Anwendung, Frankfurt a. M. 2018, S. 15 ff.

[2] Vgl. z. B. Krämer, Gudrun: Demokratie im Islam: Der Kampf für Toleranz und Freiheit in der arabischen Welt, München 2011 und dies.: Gottes Staat als Republik: Reflexionen zeitgenössischer Muslime zu Islam, Menschenrechten und Demokratie, Baden-Baden 1999.

[3] Nach Nedza besteht kein Konsens darüber, welche Zeitspanne genau diese drei Generationen, etwa zwischen dem sechsten und dem neunten Jahrhundert n. Chr., umfasst. Vgl. dazu Nedza, Justyna: »Salafismus« – Überlegungen zur Schärfung einer Analysekategorie, in: Said, Behnam T./Fouad, Hazim (Hrsg.): Salafismus: auf der Suche nach dem wahren Islam, Bonn 2014, S. 80–106, hier, S. 97 f.

[4] Siehe dazu Steinberg, Guido: Saudi-Arabien: Der Salafismus in seinem Mutterland, in: Said/Fouad: Salafismus,, S. 265–297.

[5] Vgl. z. B. Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport, Abteilung Verfassungsschutz (Hrsg.): Salafismus: Erscheinungsformen und aktuelle Entwicklungen, Hannover 2017, S. 20 ff. sowie Bundesamt für Verfassungsschutz (Hrsg.): Islamismus: Entstehung und Erscheinungsformen, Köln 2013, S. 15 u. S. 28 ff.

[6] Diese Gruppe bezeichnet der Islamwissenschaftler Joas Wagemakers als Quietisten und unterschiedet zwischen drei Typen quietistischer Salafisten: den »Distanzierten«, die Distanz zur Politik wahren; den »Loyalisten«, die eine aktive Teilnahme an der Politik befürworten, aber nur wenn es um die Unterstützung muslimischer Staatssysteme geht, und den »Propagandisten«, die religiös-politische Regime parteilich unterstützen, vor allem das in Saudi Arabien. Vgl. Wagemakers, Joas: Salafistische Strömungen und ihre Sicht auf al-wala‘ wa-l bara‘ (Loyalität und Lossagung), in: Said/Fouad: Salafismus, S. 58 ff.

[7] Vgl. El-Wereny, Mahmud: Salafiyya, Salafismus und Islamismus: Verhältnisbestimmung und Ideologiemerkmale, in: Demokratie-Dialog, Jg. 1 (2017), H. 1, S. 32–40; Steinberg, Guido: Wer sind die Salafisten? Zum Umgang mit einer schnell wachsenden und sich politisierenden Bewegung, in: SWP-Aktuell, 28.05.2012, URL: https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2012A28_sbg.pdf [eingesehen am 25.12.2017], S. 2 ff.; Wiedl, Nina: Geschichte des Salafismus in Deutschland, in: Said/Fouad: Salafismus, S. 411–442, hier S. 413 ff. und Wagemakers, Joas: Salafistische Strömungen und ihre Sicht auf al-wala‘ wa-l bara‘ (Loyalität und Lossagung), in: Said/Fouad: Salafismus, S. 57 ff.

[8] Vgl. z.B. URL: https://www.youtube.com/watch?v=I_PaI6SKJIA; https://www.youtube.com/watch?v=cDOeGIR3Lew; https://www.youtube.com/watch?v=7O0FiY8vDig und URL: http://www.kalifat.org/islam-und-demokratie_d494.html [eingesehen am 25.12.2017]. Bei den in diesen Videos gezeigten Personen handelt es sich um führende Köpfe des Salafismus in Deutschland.

[9] Siehe zum Konzept der ḥākimīya statt vieler Damir-Geilsdorf, Sabine: Herrschaft und Gesellschaft. Der islamistische Wegbereiter Sayyid Qutb und seine Rezeption, Würzburg 2003.

[10] ʿAbd al-ʿAzīz Ibn Bāz ist einer der populärsten und einflussreichsten Rechtsgelehrten des sunnitischen Islam und wird heute als Leitfigur des puristisch-traditionalistischen Salafismus angesehen. Neben seinen zahlreichen staatlichen Funktionen fungierte er von 1992 bis zu seinem Tode 1999 als Großmufti Saudi-Arabiens. Seine Fatwas und Predigten wurden sowohl in diversen Printmedien als auch online veröffentlicht und sind daher einem breiten Publikum zugänglich. Vgl. URL: https://www.binbaz.org.sa/life-article/256 [eingesehen am 15.01.2018].

[11] Die Website Islamfatwa.de ist eine deutschsprachige Fatwa-Datenbank salafistischer Prägung. Die Mehrzahl der dort erstellten Rechtsgutachten stammt von Gelehrten saudi-arabischer Herkunft. Vgl. URL: https://islamfatwa.de/gelehrte [eingesehen am 15.01.2018]. In der deutschen Version der Google-Suchmaschine wird die Seite den Nutzern als erstes muslimisches Angebot, um sich über Fatwas zu informieren, angezeigt.

[12] Koran 5:44. z.B. al-Munağğid: »Ḥukm ad-dīmuqrāṭīya wa-l-intiḫābāt wa-l-ʿamal fī anẓimatihā«, unter: URL: https://islamqa.info/ar/107166; URL: https://www.youtube.com/watch?v=I_PaI6SKJIA und URL: http://www.kalifat.org/islam-und-demokratie_d494.html [eingesehen am 23.12.2017]. Zu den weiteren erwähnten Koranstellen in diesem Zusammenhang zählen u.a.: »Gottes Urteil ist fürwahr das beste; das erkennen nur die Menschen, die von Gottes Gerechtigkeit (innerlich) überzeugt sind.« (5:50); »Diejenigen, die nicht nach dem entscheiden, was Gott (als Offenbarungsschrift) herabgesandt hat, sind die (wahren) Frevler.« (5:47).

[13] Vgl. URL: https://islamqa.info/ar/118135 [eingesehen am 23.12.2017]. Ähnliche Positionen vertreten Anhänger der Hizb-ut-Taḥrīr – einer dem Islamismus zuzurechnenden Partei, die in Deutschland aufgrund ihrer Befürwortung der Gewaltanwendung für die Durchsetzung ihrer Ziele, der Wiedererrichtung des islamischen Kalifats, 2003 verboten wurde. In ihrer online verfügbaren Abhandlung zur politischen Partizipation im Westen werden alle politischen Aktivitäten in den bestehenden Staaten aus schariarechtlicher Sicht für strikt verboten erklärt. Vgl. Hizb-ut-Tahrir in Europa (Hrsg.): Die politische Partizipation im Westen und der diesbezügliche Rechtsspruch des Islam. 1423/2002, unter URL: http://www.hizb-ut-tahrir.info/info/files/German/Books/die_politische_partizipation_im_westen.pdf [eingesehen am 03.01.2018]., S. 10 f. u. S. 38.

[14] Siehe ausführlich dazu Farschid, Olaf: Salafismus als politische Ideologie, in: Said/Fouad: Salafismus, S. 160–193, hier S. 168 f.

[15] Vgl. ebd., S. 172 f., URL: https://www.youtube.com/watch?v=7O0FiY8vDig sowie https://www.youtube.com/watch?v=YMdeGenYIpk [eingesehen am 27.12.2017].

[16] Vgl. Farschid: Salafismus, S. 170.

[17] Vgl. dazu Wagemakers: Salafistische Strömungen, S. 50 ff. sowie URL: https://islamfatwa.de/soziale-angelegenheiten/150-muslime-in-nicht-muslimischen-laendern/760-gerichtsverfahren-vor-kuffar- [eingesehen am 23.12.2017].

[18] Vgl. z.B. Wendelin Wenzel-Teuber: Islamische Ethik und moderne Gesellschaft im Islamismus von Yusuf al-Qaradawi, Hamburg 2005.

[19] Vgl. al-ʿUṯaimīn: »Ḥukm al-mušārka fī l-intiḫābāt«, unter: URL: https://www.youtube.com/watch?v=u7hgfceIjb4; ähnlich URL: http://www.alukah.net/sharia/0/98042/, in englischer Sprache unter https://islamqa.info/en/111898 sowie https://www.youtube.com/watch?v=cDOeGIR3Lew [eingesehen am 27.12.2017].

[20] Siehe statt vieler Ramadan, Tariq: Muslimsein in Europa. Untersuchung der islamischen Quellen im europäischen Kontext, Köln 2001 und El-Wereny: Normenlehre, S. 221 ff.