Lassen sich Rechtsextremismus und Islamismus einem sinnvollen wissenschaftlichen Vergleich unterziehen? Gibt es gar eine Reihe relevanter Gemeinsamkeiten? Und: Sofern die wissenschaftliche Forschung solche feststellte, lassen sich daraus Empfehlungen für Präventionsprojekte ableiten? Diesen Fragen widmete sich eine Tagung, die am 26. November 2018 in Köln von Forena (Forschungsschwerpunkt Rechtsextremismus/Neonazismus an der Hochschule Düsseldorf) zusammen mit der ibs (Info- und Bildungsstelle gegen Rechtsextremismus im NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln) durchgeführt wurde.

In der Veranstaltungsankündigung wurde darauf verwiesen, dass Rechtsextremismus und Islamismus »vergleichbare weltanschauliche Vorstellungen bezüglich der Ungleichwertigkeit von Menschen« aufwiesen – zumindest werde dies »in Wissenschaft und Medien inzwischen vielfach vertreten«. Auch wenn es »relevante Differenzen zwischen den beiden antidemokratischen Phänomenen« gebe, wiesen doch beide Strömungen »dichotome Freund-/Feind-Konstruktionen« auf, die auf »autoritaristischen Vergemeinschaftungsangeboten« beruhten und mit bestimmten »Narrativen« verbunden seien.

Narrative, so wurde in den einleitenden Worten auf der Konferenz deutlich, sind Erzählungen, die Antworten auf die Fragen: »Wer sind wir?«, »Wen gilt es zu bekämpfen?« und »Wen gilt es zu unterstützen?«, lieferten. Dass die aufgeworfenen Fragen sowohl für Anhänger des Rechtsextremismus als auch des Islamismus beantwortet werden müssen und auch beantwortet werden, erscheint in der Tat einleuchtend. Allerdings dürfte dies nicht nur für jede militante, im weitesten Sinne politische Ideologie gelten, sondern auch für alle anderen – sofern man den Begriff »Bekämpfen« weiter fasst und auch den politischen Wettstreit um Argumente und Wählerstimmen darunter versteht.

Gemeinschaften

Zunächst standen die Narrative zu »Zugehörigkeits- und Gemeinschaftsstiftung« im Vordergrund. Maruta Herding vom Deutschen Jugendinstitut in Halle, die zum Islamismus im Jugendalter forscht, erläuterte, die Aneignung einer bestimmten Ideologie setze zunächst eine dazu passende Mentalität voraus. In Anschluss an Husserl ging sie von der »Positionalität der Erfahrung«[1] aus. Diese bestimme, welche sozialen Anliegen Menschen verfolgten, und ließe unterschiedliche Wege der Sinnstiftung sowie verschiedene Angebote zur Deutung der Machtverhältnisse plausibel erscheinen, vor deren Hintergrund dann inhaltliche politische Anliegen formuliert würden.

Herding vertrat die These, dass jede Ideologie der Idee einer Gemeinschaft bedürfe sowie der Vorstellung, dass die eigene Gemeinschaft mehr Rechte habe als andere und somit höherwertig sei.[2] Islamisten gäben vor, den Islam und seine globale Gemeinschaft zu repräsentieren und sie durch die Wiedererrichtung des Kalifats zu ordnen. Allerdings schien Herding hier mit Islamismus vor allem die politische Strömung des Salafismus zu meinen, deren Anhänger auch die politischen Verhältnisse nach dem Modell der islamischen Frühzeit des 7. Jahrhunderts ausgestalten wollen und denen das Ideal der politischen Vereinigung aller Muslime der Welt unter einem Kalifen vorschwebt. Anhänger anderer Strömungen des politischen Islam verfolgen häufig einen institutionellen Ansatz und streben über die Bildung islamischer Parteien die Anpassung des jeweiligen Nationalstaates an islamische Prinzipien an – ohne die bestehenden politischen Institutionen und nationalstaatlichen Gemeinwesen zugunsten eines Kalifats und einer globalen politischen Gemeinschaft aufheben zu wollen.

Nils Schuhmacher, Forscher an der Universität Hamburg, erklärte, im Rechtsextremismus herrsche ein naturalisiertes Verständnis von Gemeinschaft vor, dem zufolge Menschen durch das gemeinsame Band der Ethnie qua Geburt verbunden seien. Somit müsse sich das Individuum nicht für die Gemeinschaft entscheiden; entscheiden müsse man sich allenfalls dafür, sich einer konkreten Jugendgang anzuschließen – somit gebe es auch im Rechtsextremismus zumindest im sozialen Nahraum ein Entscheidungsmoment. Inwieweit sich hier rechtsradikale und salafistische Jugendgruppen unterscheiden, wurde jedoch nicht thematisiert. Zwar herrscht in salafistischen Gruppen die Überzeugung vor, man müsse sich für die richtige, echte Praktizierung des Glaubens entscheiden, statt nur den Überzeugungen der Eltern zu folgen. Gleichzeitig gibt es aber die Vorstellung der göttlichen Vorherbestimmung (qadar)[3]. Der Mensch ist demnach nicht völlig frei, sich für eine Gemeinschaft zu entscheiden. Allerdings gibt es auch in rechtsradikalen Kreisen die Idee, man müsse sich aktiv zu seiner (ethnisch definierten) »Volksgemeinschaft« bekennen und für sie einstehen, um nicht Gefahr zu laufen, als »Volksverräter« dazustehen. Somit spricht letztlich vieles dafür, dass in keiner der beiden Strömungen Gemeinschaft ausschließlich als Ergebnis von Entscheidungen oder der Vorherbestimmung durch Natur oder Gott gesehen wird.

Alena Isabelle Jabarine (Moderation), Maruta Herding und Nils Schuhmacher im Gespräch. Copyright: NS-DOK / Jörn Neumann

Feindbilder

Im zweiten Teil wandte sich die Diskussion dann der Frage nach den Feindbildern und Ausgrenzungsmechanismen in den Narrativen beider Phänomene zu. Dabei ging es zunächst um interne Ausgrenzungsmechanismen, mit denen sich eine Elite hierarchisch vom Rest der Anhängerschaft absondert. Schuhmacher verdeutlichte, dass in der heutigen rechten Szene das Führerprinzip kaum mehr Anwendung finde. Herding erklärte hingegen zunächst, dass der Islamismus »ausgeprägte Hierarchien« aufweise, die religiös begründet würden – so gebe es eine Hierarchie zwischen Männern und Frauen. Darüber hinaus existiere bei al-Qaida ein ausgeprägter Kult um Osama bin Laden (sogar über dessen Tod hinaus), Gleiches gelte heute für den sogenannten Islamischen Staat und den Kult um Abu Bakr al-Baghdadi. Damit stieß Herding auf Widerspruch im Publikum, das auf die flachen Hierarchien salafistischer Jugendgruppen hinwies. Tatsächlich lässt sich feststellen, dass Abu Bakr al-Baghdadi trotz der Ausrufung des Kalifats nie die Popularität Osama bin Ladens erreichte und der Personenkult im Spektrum des radikalen Islam insgesamt eher abnimmt. Auch die meisten dschihadistischen Anschläge im Westen erfolgten in den letzten Jahren durch autonome, nicht in Hierarchien eingebundene Zellen.

Gemeinsam sei beiden Phänomenen jedoch – so meinten Herding und Schuhmacher – das geringe Personenpotenzial im Vergleich zu etablierten politischen Strömungen, sodass der einzelne Anhänger schon rein statistisch eine höhere Chance auf einen raschen Aufstieg habe. Rechtsradikale Gruppen jedoch grenzten aufgrund ihrer rassistischen Einstellung Jugendliche mit Migrationshintergrund aus, während salafistische Gruppen auch Jugendlichen, die in ihrer Biografie keinen Islam-Bezug aufweisen, offenständen. Dies mache sie auch gerade für Jugendliche mit Migrationshintergrund, die sich durch Diskriminierung ausgegrenzt fühlen und aus keinem muslimischen Elternhaus stammen, attraktiv. Rechtsextremisten wie Islamisten rekrutierten neue Anhänger über »Peers« – insbesondere Freunde aus der Schule und dem nahen Umfeld. Das Internet spiele zwar eine große Rolle – den wirklichen Einstieg finde man aber selten ohne Offline-Kontakte. Dies dürfte jedoch wohl auch für andere (nicht-politische) jugendliche Subkulturen gelten.

Schließlich richtete sich der Fokus der Diskussion auf die Frage nach ideologischen Gemeinsamkeiten. Zwar seien die Konflikte, die in den Narrativen der Rechtsextremen eine Rolle spielten, meistens im sozialen Nahraum, Deutschland oder Europa angesiedelt, während im Islamismus Auseinandersetzungen thematisiert würden, die oft weit entfernt von der Bundesrepublik ausgetragen würden. Doch gemeinsam seien beiden Phänomenen die Bemühungen um eine Naturalisierung der Ordnung (die Ausrichtung allen menschlichen Handelns am göttlichen Gesetz bzw. die klare Einteilung der Menschheit in rassisch definierte Gruppen) sowie um die Schaffung von Eindeutigkeiten, die sich bei Islamisten dadurch äußere, dass alle Handlungen in »halal« (erlaubt) oder »haram« (verboten) eingeteilt würden. Wer diese Ordnungsvorstellungen und Eindeutigkeiten infrage stelle, werde als Feind angesehen. Dies treffe im Rechtsextremismus auf die rassisch Anderen zu, im Islamismus auf die Anhänger des westlichen Liberalismus.

Beide Strömungen würden nicht wie jede andere Weltanschauung lediglich eine Abgrenzung gegenüber Außenstehenden betreiben, sondern die Eigengruppe überhöhen. Schuhmacher warf die Frage auf, ob diese Überhöhung der Eigengruppe auch dem Islamismus ein »eliminatorisches Element« verleihe und es Vorstellungen gebe, Außenstehende und Gegner zu vernichten. Herding zeigte sich überzeugt, dass solche Vorstellungen im gesamten Spektrum des Islamismus vorhanden seien – trotz vieler Unterschiede zwischen den einzelnen Strömungen. Diese Aussage scheint – soll mit Islamismus das gesamte Spektrum des politischen Islam gemeint sein – dann doch nicht ohne weitere Erläuterung haltbar; viele Denker der moderaten Wasaṭīya-Strömung, wie Rachid al-Ghannouchi, betonen im Gegenteil das Recht nicht-muslimischer Minderheiten, sich selbst in Parteien zu organisieren und – wenn auch mit Einschränkungen – am politischen Leben eines islamischen Gemeinwesens teilzuhaben.[4] Auch in Bezug auf das Spektrum des Rechtsextremismus wäre wünschenswert gewesen, zunächst überhaupt den Begriff »Rechtsextremismus« zu definieren – denn nicht jede als rechts bezeichnete ideologische Strömung trägt notwendigerweise eliminatorische Elemente.

Schließlich wandte sich die Podiumsdiskussion dem Antisemitismus zu, der in beiden Phänomenen anzutreffen ist. Schuhmacher erklärte, Antisemitismus sei aus dem heutigen Rechtsextremismus nicht verschwunden. Auch wenn er nicht wie die Migration ein in den Vordergrund gestelltes Thema sei, sei er für den Rechtsextremismus doch weiterhin ein »Strukturprinzip des Denkens«, das sich auch in heutigen Verschwörungstheorien wiederfinde. In Bezug auf den Islamismus herrschte Uneinigkeit: Herding erklärte, Antisemitismus sei heute integraler Bestandteil verschiedener Strömungen des Islamismus, aber nicht konstitutiv für das Phänomen – vorstellbar sei auch ein antisemitismusfreies islamistisches Denken. Dem widersprach der Islamwissenschaftler Michael Kiefer (Universität Osnabrück): Schon im islamischen Mittelalter finde sich antisemitisches Denken. Im politischen Islam sei es bereits in den Schriften des islamistischen Vordenkers Saiyid Quṭb präsent, ebenso finde es sich im Schiitentum wie in Organisationen wie Millî Görüş. Antisemitismus sei somit derart omnipräsent, dass Islamismus ohne ihn schwer vorstellbar sei. Die Frage, inwiefern Antisemitismus auch das Denken des politischen Islam steuere, blieb jedoch offen.

Was bringt der Vergleich?

Abschließend wurde in einem Dialog zwischen Michael Kiefer und dem Publizisten Richard Gebhardt die Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen des Vergleichs gestellt. Kiefer erklärte, der Vergleich könne bei einer Reihe von Gemeinsamkeiten ansetzen. In beiden Phänomenen gebe es Gruppen, die sich (1.) selbst erhöhten, da sie sich als Avantgarde einer kommenden Ordnung begriffen, dann (2.) in einem Akt der Selbstermächtigung Gewalt- und Machtfantasien auslebten, dabei (3.) die Ideale einer Kriegerethik und der Kameradschaft verfolgten und eine Form der »Hypermännlichkeit« praktizierten.

Gemeinsam sei Rechtsextremismus und Islamismus zudem, dass Jugendliche, die mit diesen Ideologien sympathisierten, häufig Radikalisierungsprozesse durchliefen. Für diese gelte es, Gegenstrategien zu entwickeln. Allerdings dürfe man keine übertriebenen Hoffnungen hegen und solle eher von Distanzierungen als von Deradikalisierung sprechen. Eine völlige Deradikalisierung funktioniere nicht – aus einem Rechtsradikalen werde kein Grüner mehr.[5]

Gebhardt nahm zunächst den Vergleich als unverzichtbares Erkenntnisinstrument der Wissenschaft in Schutz. Selbst für die Feststellung der Singularität des Holocaust sei die vergleichende Perspektive notwendig – ein Vergleich sei eben keine Gleichsetzung.

Und tatsächlich wiesen die zwei Phänomene Gemeinsamkeiten auf: Beide teilten die Bereitschaft zur Aufopferung für die Gemeinschaft bis zum Tod – auch wenn der extremen Rechten der starke Jenseitsbezug des Islamismus fehle. Gebhardt verwies auf Volker Weiß, der davon ausgehe, dass der gemeinsame Feind beider Ideologien die westliche Moderne sei.[6] Das führe bisweilen auch zu gegenseitigen Sympathien: So vertrete der rechte Vordenker Alain de Benoist die Auffassung, dass die Zerstörung der europäischen Kultur durch Materialismus und Kommerz die Islamisierung letztlich rechtfertige – schlimmer als die Islamisierung wäre ein Ende jeder Partikularkultur.[7]

Bei den populären, über soziale Netzwerke verbreiteten Videos aus dem Salafismus-Spektrum sei allerdings auffällig, dass darin häufig unpolitische Fragen nach der richtigen Lebensführung im Vordergrund stünden, die aufseiten der Rechten keine Rolle spielten. Diese Erkenntnis überraschte freilich nicht – der Salafismus kann eben keinesfalls als rein politisches Phänomen begriffen werden, da er sich zuerst und vor allem durch religiöse Praxis konstituiert.

Gebhardt warnte, dass ein alleiniger vergleichender Fokus auf den beiden Ideologien in die Logik des Extremismusbegriffes zurückzufallen drohe. Bei allem berechtigten Interesse an den beiden Phänomenen dürfe der Blick für die Verhältnismäßigkeit nicht verloren gehen. Man dürfe nicht außer Acht lassen, dass Gruppen wie die Wuppertaler »Scharia-Polizei« oder die »Internationale Kölsche Mitte« (eine rechtsradikale Gruppierung in der Domstadt) letztlich nicht mehr als Ausprägungen eines »medial überhöhte[n] Obskurantismus« seien. Auch der Staat könne die Demokratie gefährden, wenn er gegen echte oder tatsächliche Gegner der Demokratie immer umfangreichere sicherheitspolitische Maßnahmen ergreife. Und schon Kurt Lenk habe mit seinem Werk »Rechts, wo die Mitte ist«[8] darauf hingewiesen, dass die rechte Ideologie in Deutschland eben nicht nur ein Phänomen des gesellschaftlichen Randes sei. Eigentlich bedürfe es daher eines Deradikalisierungsprogrammes für die Mitte der Gesellschaft. Die Gefährdungen der Demokratie durch die politische Linke sah Gebhardt als weit weniger relevant an – auch wenn angesichts des Fortbestandes einer reaktionären Kapitalismuskritik ihm zufolge das Spektrum des »Linksextremismus« nicht gänzlich aus dem Blick geraten sollte.

Fazit

Insgesamt lieferte die Tagung Forschern und Präventionsarbeitern, die sich bislang lediglich mit einem der beiden Phänomene befasst haben, durch den Modus des Vergleichs eine Menge wichtiger und interessanter einzelner Einsichten zur jeweils anderen Ideologie. Da innerhalb der kompakten Tagung eine Reihe von Themenfeldern angeschnitten wurden, ist deutlich geworden, dass eine Menge von Vergleichsarbeiten zum Spektrum des Rechtsradikalismus und des radikalen Islam lohnenswert erscheinen: so etwa die Frage nach der Konstituierung der Gemeinschaft durch Willen oder die Vorherbestimmung durch Gott oder Natur, die Frage, inwieweit die Abwertung des Feindes in beiden Phänomenen ähnliche Ausmaße annimmt, oder auch die Frage nach konkreten Rekrutierungsstrategien (gerade in Räumen wie Berlin oder dem Ruhrgebiet, in denen beide Ideologien potenzielle Anhänger finden).

Allerdings kann der Versuch, »Rechtsextremismus« und »Islamismus« bzw. die jeweiligen Narrative in toto einem Vergleich zu unterziehen, nur an der Oberfläche verbleiben. Dies zeigen nicht zuletzt medial sehr präsente Werke wie »Wut« von Julia Ebner, die sich vor allem durch eine Aneinanderreihung plakativer Schlagwörter auszeichnen.[9] Schon eine in die Tiefe gehende Analyse der Ideologie eines der beiden Phänomene dürfte in einer Kurztagung kaum gelingen. Die Referenten vermieden, ihr Verständnis der nicht unumstrittenen Begriffe »Rechtsextremismus« und »Islamismus« zu erläutern. Tatsächlich gibt es ja im Spektrum des Rechtsradikalismus wie des radikalen Islam allein in Deutschland diverse Strömungen mit sich widersprechenden ideologischen Vorstellungen, Symbolen und Handlungsmustern. Vielversprechender dürfte sein, künftig konkrete Gruppen beider Strömungen – möglichst noch aus derselben Region – hinsichtlich Ideologie, Rekrutierung oder konkreter Gewalthandlungen zu untersuchen und zu vergleichen – wie etwa die salafistische Szene Gelsenkirchens oder die rechtsradikale Szene der Nachbarstadt Dortmund.

[1] Tengelyi, László: Erfahrung und Ausdruck. Phänomenologie im Umbruch bei Husserl und seinen Nachfolgern, Dordrecht 2007, S. 42.

[2] Unklar blieb hierbei, ob Herding mit »Ideologie« im Marx’schen Sinne »falsches Bewusstsein« meinte und annahm, gerade politische Gruppen mit einer verzerrten Weltsicht bedürften der Vorstellung der höherwertigen Gemeinschaft, um ihre von der Mehrheitsgesellschaft abweichende Sicht auf die Politik zu rechtfertigen, oder ob sie bei jedweder Weltanschauung von der Vorstellung der Überlegenheit der eigenen Gemeinschaft ausgeht.

[3] Die Frage, wie die Vorstellung der Verantwortung des einzelnen Gläubigen für seine Taten mit der göttlichen Vorherbestimmung in Einklang zu bringen sei, beschäftigte die islamische Gelehrsamkeit über Jahrhunderte. Der bis heute einflussreiche Ibn Taimīya (1263–1328) erklärte, trotz der unumschränkten göttlichen Vorherbestimmung sei der Mensch voll verantwortlich für seine Taten. Vgl. Gardet, Louis: al-Ḳaḍāʾ Wa ’l-Ḳadar, in: Beraman, Peri et al.: Encyclopaedia of Islam, 2. Aufl., [eingesehen am 16.02.2019].

[4] Siehe Al-Ġannūšī, Rāšid: al-Ḥurrīyāt al-ʿāmma fi ‚d-daula al-islāmīya, Beirut 1993, S. 293 f.

[5] Auch wenn Analysen der Wählerwanderungen tatsächlich zeigen, dass Anhänger der Grünen heute von allen im Bundestag vertretenen Parteien die größte Distanz zur rechtspopulistischen AfD aufweisen (vgl. Arab, Adrian: Welche Parteien die meisten Stimmen an die AfD verloren, in: Die Welt, 24.09.2017, [eingesehen am 07.03.2019]), macht ein Blick auf die Anfänge der grünen Partei doch deutlich, dass diese Distanz kein Automatismus ist. So zählt etwa der rechtsextreme Vordenker Baldur Springmann zur grünen Gründergeneration (vgl. Walter, Franz: Gelb oder Grün? Kleine Parteiengeschichte der besserverdienenden Mitte in Deutschland, Bielefeld 2010, S. 71–73).

[6] Siehe Weiß, Volker: Die autoritäre Revolte. Die Neue Rechte und der Untergang des Abendlandes, Stuttgart 2017, S. 224.

[7] Siehe ebd., S. 219. Diese Vorstellung verkennt jedoch, dass der Islam sich eben nicht als Partikularkultur versteht, sondern als Universalismus. Gerade der Salafismus hat sich dem Kampf gegen jede menschengemachte Kultur zugunsten der Durchsetzung göttlicher Normen verschrieben.

[8] Lenk, Kurt: Rechts, wo die Mitte ist, Baden-Baden 1994.

[9] Siehe Ebner, Julia: Wut. Was Islamisten und Rechtsextremisten mit uns machen, Darmstadt 2018.